
Der EU-Gipfel ist noch weit von einer Einigung über den Corona-Aufbauplan entfernt. Zu den Gegnern der bisherigen Pläne gehört der österreichische Kanzler.
- Am Freitag startete der EU-Gipfel - im Fokus steht unter anderem das milliardenschwere Corona-Paket.
- Große Hoffnungen ruhen auf der deutschen Ratspräsidentschaft und Kanzlerin Angela Merkel.
- Doch das Feld der Themen und Probleme ist schier unüberschaubar - der Gipfel könnte sich über Tage ziehen.
Update vom 18. Juli, 15.32 Uhr: Die Gespräche der EU-Regierungschefs über den Kompromissvorschlag zum Corona-Hilfsprogramm der Europäischen Union wurden am Samstag zunächst für Beratungen im kleineren Kreis unterbrochen. Nach weitgehend ergebnislosen Verhandlungen am Freitag hatte EU-Ratspräsident Charles Michel zuerst in Vorgesprächen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und anderen wichtigen Staaten seinen neuen Vorschlag dargestellt. Am Samstagvormittag folgte dann die Beratung in großer Runde, bei der es positive Reaktionen gegeben habe, erklärten EU-Vertreter und Diplomaten. Am frühen Nachmittag wurden die Gespräche wiederum in kleinen Formaten fortgesetzt. Weitere Ergebnisse stehen noch aus.
Update vom 18. Juli, 13.05 Uhr: Die Niederlande haben den neuen Kompromissvorschlag beim EU-Gipfel positiv bewertet. Er sei zwar vom Ziel "noch ein gutes Stück entfernt", sagte ein niederländischer Diplomat der Nachrichtenagentur AFP am Samstag. Die Niederlande sähen Teile des neuen Vorschlags aber "als ernsthaften Schritt in die richtige Richtung". Ob eine Einigung gelinge, hänge nun "von den nächsten 24 Stunden" ab.
Zusammen mit Österreich, Dänemark, Schweden und Finnland hatten die Niederlande eine wesentliche Forderung. Der Anteil der Corona-Hilfen, die als nicht rückzahlbare Zuschüsse an besonders von der Pandemie getroffene Mitgliedstaaten fließen sollen, müsse gesenkt werden.
Der Vorschlag von EU-Ratspräsident Charles Michel, mit dem der zweite Verhandlungstag beim EU-Gipfel startete, würde den Betrag nun von 500 auf 450 Milliarden Euro verringern. Der Anteil der Kredite würde damit wiederum von 250 auf 300 Milliarden Euro steigen.
Kanzlerin #Merkel beginnt den 2.Tag des #Sonderrats mit Beratungen mit @eucopresident Michel, EU-Kommissionspräsidentin @vonderLeyen, Präsident @EmanuelMacron und den Premiers @MinPres Rutte, @GiuseppeConteIT und @sanchezcastejon (nicht im Bild) #EUCO #EU2020DE pic.twitter.com/H5FkDIemHj
— Steffen Seibert (@RegSprecher) July 18, 2020
EU-Gipfel zu Coronavirus-Unterstützung am Abgrund: Vorschlag für Lösung im Finanzstreit
Update vom 18. Juli, 11.41 Uhr: Im EU-Streit um das Aufbauprogramm nach der Corona-Krise hat Ratschef Charles Michel nach Angaben von Diplomaten eine Kürzung der Zuschüsse um 50 Milliarden Euro vorgeschlagen. Demnach sollen von den insgesamt 750 Milliarden Euro jetzt 450 Milliarden Euro als Zuschüsse und 300 Milliarden Euro als Kredite vergeben werden.
Michel hatte am Samstagvormittag vor der großen Runde der 27 Länder mit Kanzlerin Angela Merkel sowie den Kollegen aus Frankreich, Italien, Spanien, den Niederlanden und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen noch einmal im kleinen Format beraten.
Es geht um ein Finanz- und Krisenpaket in Höhe von insgesamt 1,8 Billionen Euro. Die 750 Milliarden Euro Corona-Hilfen - an der Summe würde sich auch mit dem neuen Vorschlag nichts ändern - sollen als Schulden am Kapitalmarkt aufgenommen werden.
Sebastian Kurz auf EU-Gipfel: „Wollen solidarisch sein, aber ...“
Update vom 18. Juli, 8.58 Uhr: Im Ringen um den milliardenschweren Corona-Aufbauplan nehmen Bundeskanzlerin Angela Merkel und die anderen EU-Staats- und Regierungschefs am Samstag einen neuen Anlauf. Am Freitag, dem ersten Tag des EU-Sondergipfels, gestalteten sich die Verhandlungen zäh. Die Gespräche wurden kurz vor Mitternacht ohne Ergebnis unterbrochen. Die Beratungen sollen am heutigen Samstag um 11 Uhr wieder aufgenommen werden.
Nach stundenlangen Diskussionen hatte es am frühen Abend geheißen, zumindest sei die Chance auf Einigung bisher gewahrt geblieben. Man sei einer Einigung in den Gesprächen aber auch nicht näher gekommen, sagte der tschechische Ministerpräsident Andrej Babis. Bundeskanzlerin Angela Merkel und die 27 Staats- und Regierungschefs berieten in Einzelgesprächen, dann wieder in großer Runde. Große Fortschritte erzielten sie dabei wohl nicht.
Bedenken haben vor allem die sogenannten Sparsamen Vier, nämlich Österreich, Schweden, Dänemark und die Niederlande. Wir befinden uns in einer schwierigen Phase der Verhandlungen", sagte ein Diplomat gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Vor allem der niederländische Regierungschef Mark Rutte habe "eine sehr harte und wenig konstruktive Haltung".
Aber auch Österreichs Kanzler Sebastian Kurz wandte sich gegen die bisherigen Pläne, 500 Milliarden Euro der Corona-Hilfen als Zuschüsse zu vergeben. Es dürfe nicht "zu einer langfristigen Schuldenunion kommen", schrieb er auf Twitter. "Natürlich wollen wir solidarisch sein, aber wir haben auch die Interessen der österreichischen Steuerzahler im Blick." Deswegen lehne er den bisherigen Vorschlag zu den Zuschüssen ab.
Unsere zentrale Forderung ist, dass es nicht zu einer langfristigen #Schuldenunion kommen darf. Natürlich wollen wir solidarisch sein, aber wir haben auch die Interessen der österreichischen Steuerzahler im Blick.
— Sebastian Kurz (@sebastiankurz) July 17, 2020
EU-Gipfel am Abgrund: Drei happige Themen bei Merkels Mittagessen - erste Infos durchgesickert
Update vom 17. Juli, 22.50 Uhr: Die Verhandlungen der EU-Staats- und Regierungschefs zum billionenschweren Finanzpaket aus dem Corona-Hilfsfonds und dem nächsten Sieben-Jahreshaushalt der Union sind schwierig, aber bislang nicht gescheitert. „Es hätte schlechter laufen können“, sagte ein EU-Diplomat nach knapp achtstündigen Verhandlungen in Brüssel. Es wird erwartet, dass EU-Ratspräsident Charles Michel nach einem Abendessen der Gipfel-Teilnehmer einen neuen Kompromissvorschlag vorlegt, der dann am Samstag Verhandlungsgrundlage sein wird.
Nach der stundenlangen Verhandlungsrunde führte Michel ein Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, wie sein Sprecher auf Twitter mitteilte. Demnach hielt Michel auch ein Einzelgespräch mit dem niederländischen Regierungschef Mark Rutte, der als deutlichster Kritiker verschiedener Punkte des Corona-Hilfsfonds in der Gruppe der „sparsamen Vier“, der auch Österreich, Dänemark und Schweden angehören.
Update vom 17. Juli, 14.45 Uhr: Die EU-Staats- und Regierungschefs haben ihre Verhandlungen über den Milliardenplan gegen die Corona-Krise offenbar mit den schwierigsten Punkten begonnen. Zum Auftakt des Sondergipfels sei es um die Frage der Rabatte für große Beitragszahler zum EU-Haushalt, um die Größe des Plans zur wirtschaftlichen Erholung und um die Bedingungen für Krisenhilfen gegangen, hieß es am frühen Nachmittag aus EU-Kreisen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und die übrigen Staats- und Regierungschefs berieten darüber beim Mittagessen. EU-Ratschef Charles Michel habe darum gebeten, die schwierigsten Themen zuerst zu beraten, hieß es. Alles andere komme später.
Luxemburgs Regierungschef Xavier Bettel hat sich für einen ausufernd langen EU-Gipfel gewappnet. "Das kann zwei Tage gehen oder drei. Womöglich kommen wir hier am Montag oder Dienstag raus", sagte er der Nachrichtenagentur AFP.
"Es ist mir schon passiert, kein sauberes Hemd und keine Unterhose mehr zu haben", sagte der 47-jährige Bettel, der seit 2013 Luxemburgs Premier ist. "Dann habe ich mir mit dem Shampoo in meinem Zimmer behelfen müssen, um doch noch saubere Kleidung zu bekommen. Das ist vorgekommen in den vergangenen sieben Jahren, aber ich denke, ich sehe jetzt alle Eventualitäten voraus."
EU-Gipfel mit Merkel: „EU ist kein Bankautomat“ - Streit um zwei Länder, Teilnehmer macht düstere Prognose
Update vom 17. Juli, 13.50 Uhr: Rabatte und Rechtsstaatlichkeit: Diese beiden Rs könnten die Auslöser für heftige Debatten zwischen den EU-Regierungschefs in den kommenden Stunden - oder Tagen - beim Brüsseler Sondergipfel werden. Polen und Ungarn wollen verhindern, dass Corona-Hilfen an Rechtsstaatlichkeitskriterien geknüpft werden. Unter anderem Österreich freut sich auf Rabatte bei den Mitgliedsbeiträgen (siehe Update vom 11.15 Uhr). Und stößt damit wiederum auf Widerstand - auch bei Polen.
Tschechien und Polen kritisierten, dass Deutschland und die "sparsamen Vier" weiter Rabatte auf ihre Beiträge zum EU-Haushalt bekommen sollen. Dies sei "nicht fair", sagte Tschechiens Regierungschef Andrej Babis. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki sagte, die Rabatte seien "ein schlechter Mechanismus", gegen den er sich bei dem Gipfel stellen werde, der über das Finanzpaket einstimmig befinden muss.
"Die EU ist kein Bankautomat", sagte andererseits EU-Parlamentspräsident David Sassoli mit Blick auf Ungarn und Polen als größte Profiteure der milliardenschweren EU-Regionalfonds gehören. Sie sei eine Union, die auf Werten basiere, die eingehalten werden müssten.
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban trifft zum EU-Gipfel im Gebäude des Europäischen Rates ein.
© dpa / John Thys
Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte unterstrich die Bedeutung von Solidarität in der Krise. Gleichzeitig müsse es aber möglich sein, "von diesen Ländern zu verlangen, alles zu tun, um dies beim nächsten Mal selbst zu lösen" - durch Reformen am Arbeitsmarkt und bei den Renten etwa. Rutte bewertete die Chancen auf einen Erfolg des Gipfels mit "weniger als 50 Prozent".
Alle Staats- und Regierungschefs kamen zu dem Treffen mit Masken, nachdem sie seit März wegen der Pandemie nur Video-Konferenzen abgehalten haben. Die meisten begrüßten sich mit einem Ellenbogen-Check, auch Bundeskanzlerin Merkel nutzte diese Grußform.
EU-Corona-Gipfel: Rote Linie aus Polen - Land gegen Rechtsstaatlichkeits-Forderungen
Update vom 17. Juli, 12.05 Uhr: Die ersten Äußerungen vor dem EU-Sondergipfel lassen größere Probleme vermuten - auch Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat zum Start eine klare rote Linie gezogen. Ihm geht es die Verknüpfung von Hilfen mit dem Rechtsstaatlichkeitsprinzip. Das hatte zuvor Kommissions-Vizepräsidentin Vera Jourova unter dem erklärten Motto „jetzt oder nie“ gefordert. Auch klimapolitische Forderungen wies er zurück.
Das Verknüpfen der Aufbauhilfen mit einem Rechtsstaatsmechanismus sei willkürlich, sagte Morawiecki. Er sehe auch keine Grundlage für klimapolitische Forderungen: Polen etwa habe bereits enorme Anstrengungen beim Umstieg auf erneuerbare Energien unternommen, dies müsse allerdings in einem vernünftigen Tempo passieren.
Gegen Polen und Ungarn laufen wegen Nicht-Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit auch Verfahren laufen nach Artikel 7 des EU-Vertrags wegen mutmaßlicher Verstöße gegen EU-Grundwerte. Es sei nicht gut, die zwei vollkommen unterschiedlichen Themen miteinander zu verbinden, betonte Morawiecki jetzt.
EU-Gipfel: Merkel äußert sich vielsagend, doch Kurz ist optimistisch - auch wegen „Österreich-Rabatt“?
Update vom 17. Juli, 11.15 Uhr:
Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hält die Differenzen der 27 EU-Staaten vor dem EU-Sondergipfel zum gemeinsamen Haushalt und dem Corona-Aufbauplan für lösbar. „Ich glaube, es ist nichts unüberwindbar. Wenn man möchte, ist das möglich, eine Lösung zu finden“, sagte Kurz am Freitag in Brüssel. Im Vorfeld sei sehr viel miteinander telefoniert worden, so dass jeder genau wüsste, wo die roten Linien der jeweils anderen sind.
Zugleich räumte der Österreicher ein, dass noch immer große Differenzen bestünden. „Die Unterschiede in den Positionen sind nach wie vor relativ groß.“ Es stünden „sehr intensive und wahrscheinlich auch lange Verhandlungen“ bevor. Es sei nicht klar, ob bei diesem EU-Gipfel der Durchbruch gelinge.
Sebastian Kurz am Freitag beim EU-Sondergipfel in Brüssel.
© AFP / STEPHANIE LECOCQ
Die Dinge hätten sich aus österreichischer Sicht zuletzt allerdings in die richtige Richtung bewegt. So seien beim jüngsten Vorschlag von EU-Ratschef Charles Michel wichtige Forderungen erfüllt worden. Beim Haushaltsrahmen für die nächsten sieben Jahre sei für Österreich etwa ein höherer Beitragsrabatt vorgesehen und das Gesamtvolumen sei reduziert worden.
Der tschechische Regierungschef Andrej Babis hat hingegen nachdrücklich Änderungen beim geplanten Verteilschlüssel der Corona-Hilfen gefordert. „Ich habe damit ein prinzipielles Problem“, sagte der Gründer der populistischen Partei ANO am Freitag der Agentur CTK. Er forderte, dass der erwartete Rückgang des Bruttoinlandsprodukts im jeweiligen Land entscheidend sein müsse. Es geht um 750 Milliarden Euro, mit denen die EU die Folgen der Corona-Krise abmildern will.
EU-Gipfel zu Corona-Hilfen gestartet: Von der Leyen warnt - und sieht „unglaubliche Wichtigkeit“
Update vom 17. Juli, 11.00 Uhr: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat vor einem Scheitern des EU-Sondergipfels über das Milliarden-Programm zur Bewältigung der Corona-Wirtschaftskrise gewarnt.
„Die ganze Welt beobachtet Europa - ob wir in der Lage sind, gemeinsam aufzustehen und diese Corona-bedingte Wirtschaftskrise zu überwinden“, sagte von der Leyen kurz vor Beginn der Gespräche mit den Staats- und Regierungschefs. Auch die Menschen in Europa erwarteten eine Lösung, denn es seien ihre Arbeitsplätze, die gefährdet seien. „Sie sind dem Risiko des Virus nach wie vor ausgesetzt und wir werden lernen müssen, mit dem Virus zu leben.“
Es stehe bei den Verhandlungen viel auf dem Spiel, sagte von der Leyen. „Der Tag heute ist von unglaublicher Wichtigkeit.“
EU-Gipfel: Macron bleibt vorsichtig - Orban droht bereits
Update vom 17. Juli, 10.23 Uhr: EU-Ratspräsident Charles Michel hält eine Einigung zum nächsten gemeinschaftlichen Mehrjahreshaushalt und dem geplanten Corona-Hilfsplan für möglich. "Ich bin völlig überzeugt, dass es mit politischem Mut möglich ist, eine Einigung zu erzielen", sagte Michel am Freitag vor dem Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron äußerte sich zurückhaltender.
"Das ist ein Moment der Wahrheit und des Ehrgeizes für Europa", sagte Macron bei seiner Ankunft im Brüsseler Ratsgebäude. Es gehe um das europäische Projekt. "Ich bin zuversichtlich aber vorsichtig".
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hat bereits mit einem Veto gegen das gesamte Finanzpaket gedroht, sollte im Haushalt die Möglichkeit verankert werden, EU-Gelder bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit zu kürzen.
Schon vor dem Gipfel-Beginn hat der grüne EU-Finanzpolitiker Sven Giegold deutlich gemacht, dass das Europaparlament die weitreichenden Vereinbarungen der Staats- und Regierungschefs zum EU-Haushalt und zum Corona-Konjunkturpaket nicht einfach absegnen wird. Auf dem am Freitag in Brüssel beginnenden Gipfel werde "nur die Verhandlungsposition der Mitgliedstaaten" ausgehandelt, betonte Giegold im ZDF-"Morgenmagazin".
EU-Gipfel am Abgrund? Merkel soll es richten - ihr erstes Statement verrät zwischen den Zeilen viel
Update vom 17. Juli, 9.47 Uhr: Für die gesamte EU wird es nun ernst: In Brüssel beginnt zur Stunde der Sondergipfel, der unter anderem die Zukunft des angedachten hunderte Milliarden schweren Corona-Hilfspakets regeln soll. Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die bald in Urlaub geht*, ist vor wenigen Minuten im EU-Ratsgebäude eingetroffen - und hat ein eher vorsichtiges bis pessimistisches Statement abgegeben.
EU-Gipfel am Abgrund? Merkel soll es richten - ihr erstes Statement ist vielsagend
© AFP / JOHN THYS
„Unsere letzten Beratungen im Februar waren ja nicht erfolgreich“, sagte Merkel an ihrem 66. Geburtstag auf dem roten Teppich - mittlerweile befinde man sich zwar in einer „völlig anderen Lage, als das damals der Fall war“. Aber: „Ich muss schon sagen, dass die Unterschiede sehr, sehr groß sind und ich deshalb nicht sagen kann, ob wir diesmal zu einem Ergebnis kommen.“ Sie erwarte „sehr, sehr schwere Verhandlungen“, erklärte die Kanzlerin weiter.
Es geht also mit stark gedämpften Erwartungen in den EU-Gipfel. Ein Scheitern scheint einkalkuliert.
Vorschau - EU-Gipfel: Es geht um (fast) alles und Merkel soll es richten - doch krachendes Scheitern droht
Brüssel/Berlin - Corona*, Wirtschaftskrise, Klima, europäischer Zusammenhalt: Beim EU-Gipfel geht es ab Freitag buchstäblich um alles. Vor allem aber um sehr, sehr viel Geld. Wenn Europas Staats- und Regierungschefs erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie wieder persönlich in Brüssel zusammenkommen, wird ein Finanzpaket von 1,8 Billionen Euro auf dem Tisch liegen.
Doch wesentliche Punkte für einen riesigen Corona-Hilfsfonds und den nächsten Sieben-Jahres-Haushalt der Union sind noch hochumstritten. Und das Erpressungspotenzial ist groß: Denn jeder der 27 Staats- und Regierungschefs kann theoretisch sein Veto einlegen.
EU-Gipfel: „Einigung ist unerlässlich“ - „Sparsame Vier“ um Kurz machen Druck
"Eine Einigung ist unerlässlich", mahnt EU-Ratspräsident Charles Michel in seinem Einladungsschreiben zum Gipfel. "Jetzt ist die Zeit gekommen." Der Belgier hat als Gipfelorganisator im Vorfeld unermüdlich mit allen Staats- und Regierungschefs Gespräche geführt. Doch wirklich Bewegung scheint nicht in die verhärteten Fronten gekommen zu sein.
Am stärksten scheint der Widerstand der "sparsamen Vier" aus Österreich, Dänemark, Schweden und den Niederlanden. Sie stemmen sich dagegen, dass aus dem 750 Milliarden Euro schweren Corona-Hilfsfonds 500 Milliarden Euro als Zuschüsse vor allem an die hart von der Pandemie getroffenen südlichen Länder fließen sollen.
„Sparsamer“ Kanzler: Sebastian Kurz hat für den EU-Gipfel Widerstand gegen Zuschüsse im Hilfs-Paket angekündigt.
© dpa / Hans Punz
Offiziell lehnt die Vierergruppe solche "Haushaltsgeschenke" ab und pocht darauf, dass es nur um Kredite geht, die zurückgezahlt werden müssen. Wirkliches Ziel dürfte es sein, den Anteil der Zuschüsse zu senken. Der Gruppe haben sich Diplomaten zufolge de facto Finnland angeschlossen. Sie fordern demnach, den Zuschussanteil auf 400 Milliarden Euro zu kürzen.
EU-Gipfel in der Corona-Krise: Merkel im Blickpunkt - just an ihrem Geburtstag
Lautester Kritiker ist der niederländische Regierungschef Mark Rutte. Er sehe die Lage "ziemlich düster", unkt der Liberale vor dem Gipfel. Er sei weiter für Kredite. Wenn es aber Zuschüsse gebe, müsse das im Gegenzug an "grundlegende Reformen" geknüpft werden. Die Südländer sind empört und fürchten, dass ihnen die EU dann wie in der Finanzkrise eine "Troika" ins Haus schickt, die strenge Auflagen für ihre Haushaltspolitik durchsetzt.
"Etwas Wuchtiges" müsse bei dem Corona-Fonds herauskommen, forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) jüngst angesichts des dramatischen Wirtschaftseinbruchs wegen der Pandemie, der aus ihrer Sicht den Zusammenhalt der EU gefährden könnte. Das dürfe "nicht verzwergt" werden, "denn die Aufgabe ist riesig".
Angela Merkel zeigt sich kompromissbereit in den Verhandlungen über das Corona-Hilfspaket der EU.
Es sei aber unklar, ob eine Einigung bei dem kommenden EU-Gipfel gelinge, so die Bundeskanzlerin. pic.twitter.com/4zDgNtle65
— DW Politik (@dw_politik) July 14, 2020
Merkel dürfte bei dem Gipfel nach der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft durch Deutschland eine zentrale Vermittlerrolle zukommen. Doch die Kanzlerin - die am Freitag auch noch Geburtstag feiert - weiß, dass die Gemengelage schwierig ist. "Wir müssen Brücken in alle Richtungen bauen". sagt sie.
EU debattiert über Corona-Maßnahmen: Nun geht es auch wieder um das Thema Rechtsstaatlichkeit
Natürlich wird viel taktiert und gepokert - und Rutte ist vor der Parlamentswahl im März 2021 de facto schon im Wahlkampf. Neben dem Corona-Hilfsfonds geht es aber auch um den regulären EU-Budgetrahmen für die Zeit von 2021 bis 2027 und damit um viele Milliarden, die jedes Jahr in allen Mitgliedstaaten an Bauern, Unternehmen, Regionen oder Forscher gehen. Jeder Staats- und Regierungschef hat deshalb ein Interesse, dass am 1. Januar 2021 nicht plötzlich die Zahlungen aus Brüssel versiegen.
Ein weiterer Konflikt erschwert die Verhandlungen: der Vorschlag, EU-Gelder bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit künftig zu kürzen. Hintergrund ist der Dauerstreit mit den nationalkonservativen Regierungen in Polen und Ungarn, die wegen der Untergrabung der Unabhängigkeit der Justiz und der Einschränkung von Grundfreiheiten am Pranger stehen. "Wenn wir jetzt nicht dieses Prinzip durchsetzen, werden wir es nie durchsetzen", sagte Kommissions-Vizepräsidentin Vera Jourova dem Handelsblatt. Es gelte: „Jetzt oder nie.“
EU-Gipfel zu Corona und Co.: Greta Thunberg meldet sich zu Wort - „Wir brauchen ein neues System“
Druck kommt auch von außen: Klimaaktivistinnen um Greta Thunberg* haben die Europäische Union angesichts der hohen aufgerufenen Geldsummen zu klaren Maßnahmen gegen die drohende Klimakatastrophe aufgerufen. Die EU dürfe nicht länger so tun, als könne man die Klima- und Umweltkrise lösen, ohne sie als eigentliche Krise zu behandeln, erklärten Thunberg, ihre deutsche Fridays-for-Future-Mitstreiterin Luisa Neubauer und die beiden Belgierinnen Anuna de Wever und Adélaïde Charliér in einem am Donnerstag veröffentlichten Brief an die EU-Führung und die Staats- und Regierungschefs des Staatenbundes.
Ihre Forderungen sind nicht gerade klein: „Unser derzeitiges System ist nicht ‚kaputt‘“, heißt es in dem Schreiben - „das System tut genau das, was es soll. Es kann nicht länger ‚repariert‘ werden. Wir brauchen ein neues System.“ Aber auch die Wirtschaft selbst ist alarmiert - aus anderen Gründen. Das Hilfspaket müsse schnell kommen, denn es sei „zentrale Voraussetzung, um den wirtschaftlichen Erholungsprozess in der EU rechtzeitig in Schwung zu bringen“, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Joachim Lang, am Donnerstag.
Coronavirus trifft EU: Gipfel könnte Tage dauern, Notfallplan liegt schon bereit
Niemand in Brüssel kann derzeit sagen, ob der Gipfel wie geplant am Samstag oder erst am Sonntag oder gar am Montag endet. Und ob er überhaupt eine Einigung bringt. In der EU laufen im Hintergrund deshalb schon Notfallplanungen für ein weiteres Gipfeltreffen im Sommer.
An Mahnungen deutsche Spitzenpolitiker mangelt es nicht. Außenminister Heiko Maas (SPD) sprach von einer „historischen Chance“ und warnte zugleich vor einem Scheitern. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) bezeichnete die Corona-Wirtschaftskrise als „schwerste wirtschaftliche Delle“ seit dem Zweiten Weltkrieg. Nur gemeinsam könne man diese bewältigen, sagte er am Donnerstag im rbb-Inforadio. Die Zeit des lockeren Flachsens scheint schon wieder vorbei zu sein. (dpa/AFP/fn) *Merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Netzwerks.
Rubriklistenbild: © dpa / Michael Kappeler
July 16, 2020 at 11:26PM
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